Haus im Haus im Gebäude der Börse und Handelskammer Hamburg
Bauherr
Handelskammer Hamburg
Architekt
Behnisch Architekten, Stuttgart
Bauwerksplanung
Ingenieurbüro Wetzel & von Seht
Architekturfotografie
Hans Jürgen Landes
Laudatio
Eigentümerin eines ehrwürdigen, denkmalgeschützten Gebäudes zu sein verpflichtet; verpflichtet um so mehr, wenn man selbst eine ehrwürdige Institution wie die Handelskammer Hamburg ist. Die Rede ist vom Börsengebäude, dem Herz der alten Handelsstadt.
Kern dieses Gebäudes sind drei durch Bogengänge miteinander verbundene Säle. Alle drei sind in Anlehnung an den Mittelsaal des ersten Hamburger Hochbau-Direktors Carl Ludwig Wimmel, in der Formensprache des späten Klassizismus gestaltet, und bilden so – trotz unterschiedlicher Entstehungszeiten und verschiedener Architekten, eine gestalterische Einheit.
Die Nutzung des westlichen, 1880-84 durch Martin Haller errichteten rund 600 m² großen und rund 20 m hohen Saales wurde mit dem Auszug der Wertpapierbörse zum Problem.
Eine solch große Fläche konnte nicht nutzungsfrei bleiben.
„Haus im Haus“ hieß das Zauberwort, das Konzept eines Neubaus in einem entkernten historischen Gebäude, bekannt seit Oswald-Matthias Ungers’ Architekturmuseum in Frankfurt/Main aus den frühen 1980 er Jahren.
VergrößernIm Fall dieser Börsenhalle hieß das: Das Raumvolumen des historischen Saals mit seinen in drei Geschosse gegliederten Wänden musste erlebbar, die Decke als abschließendes Element erfassbar, und der Boden für den Besucher auf Augenhöhe überschaubar bleiben.
Der Bauherrin war klar, dass dies nur mit Abstrichen vom ursprünglich geplanten Raumprogramm zu machen war.
Die zweite Maxime hieß Offenheit, keine Scheintransparenz durch spiegelnde Glasscheiben, sondern echte Einblicke, Durchblicke und Durchgänge.
Für den Ingenieur galt dementsprechend die unbedingte Vorgabe, dass tragende Bauteile möglichst filigran auszubilden sind, auch um sich von der massiven Tragstruktur der klassizistischen Umhüllung deutlich abzuheben.
Vergrößern
Filigrane Stützen, luftige, von Geschoss zu Geschoss unterschiedliche Ebenen, an einen auf das Mindestmaß beschränkten Treppenhauskern gehängt, erzeugen den Eindruck schwebender Leichtigkeit. Ein Haus im Haus braucht halt keinen Wetterschutz und keine Wärmedämmung.
Natürlich kann es nicht nur Durchsicht geben, einige Räume müssen auch Abgeschlossenheit bieten. Diese Räume aber sind so auf die Ebenen verteilt, dass keine massiven Blöcke entstehen. Ganz oben befindet sich der Clubraum, dem eigentlichen Blickfeld entzogen, aber rundherum verspiegelt, so dass man vom Saalfußboden trotzdem – zwar leicht verzerrt - die durchlaufende Decke wahrzunehmen glaubt.
Wieder so ein Zaubertrick!
VergrößernSo fühlt man sich als Besucher selbst verzaubert, oder besser bezaubert von dieser Architektur, die es schafft nicht gegen das Alte, sondern mit dem historischen Rahmen gemeinsam Glanz zu entfalten.
Zur Freude nicht nur der Bauherrin, die ihre eigenen Ziele erreicht und dennoch ihre Verpflichtungen dem altehrwürdigen Gebäude gegenüber eingelöst hat.
Zu berechtigtem Stolz aber auch der Architekten und Ingenieure, denen hier wahrlich ein Bauwerk des Jahres geglückt ist.
Gerhard Hirschfeld