Elbcampus

Elbcampus -

Bauherr

Handwerkskammer Hamburg

Architekt

pfp Architekten BDA

Ingenieure

AHW Ingenieure, Zibell-Willner

Architekturfotografie

Ralf Buscher

Laudatio

Das Baugrundstück war eigentlich ein „Unort“!
Hinter dem Bahnhof, zwischen einer Autobahn und dem zum Baumarkt umfunktionierten Ausbesserungswerk der Bundesbahn war diese Restfläche des ehemaligen Schlachthofs auf moorigem Gelände alles andere als einladend.
Trotzdem entschloss sich die Bauherrin, die Handwerkskammer Hamburg, hier ein Signal zu setzen mit dem Neubau einer Ausbildungsstätte für junge Handwerker. Ein Signal für den Süden Hamburgs, aber auch ein Signal, diese verkehrlich außerordentlich gut erschlossene aber eben etwas unattraktive, lädierte Fläche aufzuwerten, um auch anderen Investoren dieses hier schlummernde Potential schmackhaft zu machen.
Rund 30 000 qm misst die Fläche, und ca. 23 000 qm Bruttogeschossfläche sollten darauf untergebracht werden – sowie die dazu gehörenden Parkierungsflächen für den zu erwartenden PKW-Verkehr – trotz der guten Anbindung an den Nahverkehr. Dreizehn Fachbereiche – von den Kompetenz-Zentren „Schweiß- und Kunststofftechnik“ und „Umwelttechnik“ bis zu speziellen Bereichen für die einzelnen Handwerkssparten, darunter so unterschiedliche wie Friseure, Maler oder Zahntechniker, insgesamt 600 Werkstatt- sowie 500 Seminarplätze, dazu vierzehn Funktionsbereiche, von der Verwaltung bis zum Hausmeister, mussten ihren Ort finden.
Die Architekten reagierten auf diese Vorbedingungen und den „Unort“ mit einem kubischen Körper auf quadratischem Grundriss 100 mal 100 m messend und drei Geschosse hoch. Der ist ummantelt mit einer Haut aus dunklem Ziegel, die den ganzen Baukörper einschließt und so „Masse“ bildet. Masse genug, um eigenes „Standing“ zu entwickeln, da bedarf es keiner Anbindung an die Umgebung – an welche auch?
In ähnlich unwirtliche Industriebrachen an Ruhr und Emscher hat der Bildhauer Ulrich Rückriem viele seiner kubischen Steinklötze gestellt und so mit Kunst Akzente gesetzt. An dessen Methode, den Steinblock auseinander zu sägen und mit Hohlräumen wieder zusammen zu fügen erinnert dieser Baukörper: Da ist für den Eingang eine ganze Ecke herausgebrochen, nur eine hohe, schlanke Eckstütze und zwei schmale Balken zeichnen noch die „unversehrte“, „ursprüngliche“ Form nach. Und im Innern sind unterschiedlich große Hohlräume, Höfe mit quadratischem und mit unterschiedlich gerichteten Rechteckgrundrissen. Einer dieser „herausgesägten“ Körper scheint einfach auf das Dach gesetzt zu sein, und gibt dann doch noch eine ganz vage Richtung vor, nämlich die parallel zu der Moorwetter, ein Relikt aus lange zurück liegender „grüner“ Vorzeit, als noch Entwässerungskanäle die Elbwiesen trocken legen sollten.
Tritt man ein, empfängt den Besucher ein fast gleißendes Licht, hervorgerufen durch das helle Weiß der Wände, verstärkt noch durch Spiegelung in den großen Glasflächen. Da drängt sich ein zweiter Vergleich auf, nämlich der mit jenen Roh-Edelsteinen, die in einer grauen, unscheinbaren Hülle beim Aufschneiden ihr prächtiges und glänzendes Innenleben preisgeben. So auch hier. Eine großzügige und edel ausgestattete – drei Geschosse hohe Halle empfängt Besucher und Besucherinnen und erschließt, natürlich durch Treppen und Aufzüge, aber auch optisch über Galerien, Ein-, und Durchblicke, die einzelnen Bautrakte.

Die Baukörper sollen „Lehrkörper“ sein, so hatte es die Bauherrin vorgegeben. Der Architekt löste diese Aufgabe dadurch, dass immer wieder „Fenster“ die Mauern und Pfeiler öffnen, um die hinter Putz und Mauerwerk sonst verborgenen Leitungen und Rohre - eben die gesamte Haustechnik - sehen zulassen. Tafeln erläutern den Sachverhalt. Aber auch die Ingenieurkonstruktion dieses auf quadratischem Raster aufgebauten Komplexes ist immer wieder sichtbar gemacht. Alternative Schallschluckmaßnahmen sorgen dann statt der abgehängten Decken für das Wohlbefinden am Arbeits- und Lernplatz.

Schade nur, dass die Außenanlagen dagegen abfallen, vermitteln sie doch den ersten Eindruck! Das Element Wasser bleibt ungenutzt – was könnte man alles daraus machen! Der Eingang wird über schmale Stege erreicht, ganze 3 und 4m breit, bei 100 m Gebäudelänge! Der eine führt in ein Loch – in einen Tunnel, der direkt unter dem Autobahnzubringer zum Bahnhof führt – der zweite landet direkt an der Fahrbahn der das Ganze umrundenden asphaltierten Straße. Vom Besucherparkplatz muss man den erst einmal finden!

Das Gebäude entschädigt dafür!
Alles in Allem kann man hier einen Satz etwas abgewandelt anwenden, der eigentlich für die Hamburger Speicherstadt 1892 in der Deutschen Bauzeitung geschrieben stand:
„Es muss mit besonderer Anerkennung gewürdigt werden, dass alle Ausführungen das Gepräge tragen, dass hier überall der Künstler gepaart mit den Ingenieuren gewirkt hat.“
Deshalb soll dieses Gebäude als sichtbarer Ausdruck der Zusammenarbeit von Bauherrin, Architekt und Ingenieur heute ausgezeichnet werden.
 

Gerhard Hirschfeld

Hamburg, im August 2009

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