Viaduktbrücke am Binnenhafen
Bauherr
Hamburger Hochbahn AG
Architekt
Tragwerksplanung
Architekturfotografie
Laudatio
Brücken sind Ingenieurbauwerke, die eine große Bedeutung für das Stadtbild und die Baukultur der Orte haben - ebenso wie Gebäude sind sie historische Zeugen der jeweiligen Zivilisation. An manchen Orten spielen die Brücken mit ihrer ästhetischen und symbolischen Kraft eine ortsbestimmende Rolle.
Oft sind sie, wie im Fall der Viaduktbrücke am Binnenhafen, ein Ergebnis der Zusammenarbeit von Architekten und Ingenieuren.
Unsere AIV-Jury erkennt einstimmig die besonders gelungene Teamarbeit der Planer sowie die positive Einstellung des Bauherrn zur Innovation und seine kompetente Begleitung bei der Realisierung dieses Brückenbauwerkes an.
Städtebaulich ist dieser Ort - an der Mündung des Alsterfleetes in die Elbe durch verkehrliche und technische Gegebenheiten vereinnahmt - keine „Hafenperle“, kein Ort zum Verweilen. Straßenführungen, Kreuzungen, Stauwerk und Hochbahn belasten diesen Ort, der jedoch an der direkten Fußverbindung von Binnenalster zur Hafen-City liegt.
Die neue Viaduktbrücke mit ihrer gestalterischen Wirkung und optischen Durchlässigkeit im Vergleich zu der alten, mit den dichten Fachwerkstäben in voller Höhe, wertet den Standort nachhaltig auf. Es wäre wünschenswert, wenn auch die Stadt- und Straßenplanung diesen öffentlichen Raum als wichtig entdeckt und durch „Entpollerung“ und eine hindernisfreie Gestaltung des Fußgängerbereiches zur Qualitätssteigerung in diesem Stadtsegment beitragen würde.
Die Erneuerung der 1912 gebauten Brücke, als letztes Brückensegment zwischen den Haltestellen Baumwall und Rödingsmarkt, erfolgte aus zwingenden technischen und wirtschaftlichen Gründen. Vielleicht hinterfragen wir an dieser Stelle: Die Lebensdauer der alten Brücke betrug - wie prognostiziert – fast 100 Jahre (von 1912 bis 2009), - werden das auch unsere heutigen Baumaßnahmen immer schaffen?
Die Entscheidung gegen eine weitere wartungsintensive Erhaltung der bestehenden, genieteten Konstruktion für begrenzte Zeit und zugunsten eines Neubaus in einer gut gestalteten Gegenwartsform war eine gute Entscheidung.
Die neue Viaduktbrücke mit den großen Bögen und transparenten Auflagern wurde in intensiver Zusammenarbeit mit dem Denkmalschutzamt, namentlich möchten wir Herrn Architekten Schett erwähnen, mit 4 Jahren Vorlauf entwickelt. Man wollte dem neuen Bauwerk an der Schnittstelle zwischen Alt und NEU gerecht werden und sicherstellen, dass sich im Zuge der Ausführung nicht noch ungewollte Details „einschleichen“ können.
Das zeitgemäße Erscheinungsbild der neuen Brücke erzeugt eine dynamische Stimmung an diesem Ort, wo auch mehrere Verkehrsarten an Land und Wasser den Ausdruck der Mobilität vermitteln.
Entwickelt nach dem historischen Vorbild auf Grundlage heutiger Konstruktionsprinzipien präsentiert sich die Brücke als geschweißte Stahlkonstruktion – allerdings offener und mit mehr Transparenz. In der Grundrissprojektion geschwungen folgt sie dem Straßenverlauf des Baumwalls. Für die Planung der Brücke bedeutet dies ein Erfassen des hohen geometrischen Aufwands in der Konstruktion unter besonderer Berücksichtigung des material- und systemabhängigen Verformungsverhaltens von STAHL. Die minimierten Querschnitte des doppelförmigen Untergurts folgen den statischen Schnittgrößen, wie es sich zum Beispiel an der Höhe der Stegbleche ablesen lässt, die vom Auflager zur Bogenmitte abnimmt.
Der Überstand der Flanschbleche an den Schweißnähten um jeweils 5 cm erzeugt klare Profilansichten mit Schattenkanten – mit anderen Worten: Hier müssen Architekt und Ingenieur intensiv zusammengearbeitet haben und eventuell hat der Auftraggeber auch noch ein Kilo Zusatzstahl übernommen, um dem gestalterischen Anspruch gerecht zu werden.
Dieser Zusammenarbeit und dem Werk gilt unsere heutige Auszeichnung – herzlichen Glückwunsch.
Aleksandar Ronai und Markus Wetzel
September 2011