Fahrradparkhaus U-Bahn Kellinghusenstraße
Bauherr
P+R-Betriebsgesellschaft mbH, Hamburg
Architekt
Mathias Hein Architekt, Hamburg
Tragwerksplanung
Ausführungsplanung
Freiraumplanung Becker Nelson (Entwurf) und Lehne Ingenieurgesellschaft mbH(Ausführungsplanung)
Architekturfotografie
Laudatio
In einer schnell wachsenden Großstadt wie Hamburg wird das Fahrrad zu einem immer wichtigeren Bestandteil eines platzsparenden und umweltverträglichen Mobilitätskonzeptes. Bei-spiele aus den Niederlanden zeigen, dass das Fahrrad mit seinem deutlich geringeren Flächenbedarf gegenüber dem PKW ein geeignetes Verkehrsmittel für kurze Distanzen im verdichteten Stadtraum darstellt.
Damit Verkehrs- und Mobilitätswende keine abstrakten Begriffe bleiben, wird der Radverkehr vom Hamburger Senat in besonderem Maße gefördert. Im Bike-and-Ride-Entwicklungskonzept für die Stadt Hamburg wurden daher Ziele definiert, um den Umstieg vom Fahrrad auf den öf-fentlichen Nahverkehr und auf weitere Mobilitätsangebote wie z.B. Carsharing, so komfortabel und attraktiv wie möglich zu gestalten. Neben dem Ausbau von Velorouten steht dabei die Schaffung attraktiver Abstellmöglichkeiten von Fahrrädern in unmittelbarer Nähe von U- und S-Bahn-Haltestellen im Vordergrund.
Im konkret vorliegenden Fall der U-Bahn-Haltestelle Kellinghusenstraße im Stadtteil Hamburg-Eppendorf handelt es sich genau um einen dieser wichtigen Mobilitätspunkte im verkehrstechni-schen Gesamtgefüge des öffentlichen Nahverkehrs, an dem zwei U-Bahn-Linien (U1 und U3) sowie mehrere Metrobuslinien zusammentreffen.
Bereits vor der Erstellung des neuen Fahrradparkhauses gab es hier südlich der U-Bahn-Haltestelle Fahrradstellplätze auf teilüberdachten Freiflächen. Die Situation schien jedoch so-wohl quantitativ wie auch qualitativ unzureichend für die steigenden Anforderungen an diesen wichtigen Umsteigepunkt. Aus heutiger Sicht war es sicherlich eine richtige Entscheidung der P+R Betriebsgesellschaft als Bauherr, mithilfe einer öffentlichen Ausschreibung eine nachhalti-ge und zukunftsweisende Lösung für dieses städtebaulich sensible Umfeld zu finden. Als die Büros Mathias Hein Architekten und WP Ingenieure den Zuschlag für die Planungsleistungen erhielten, begann zunächst eine Phase der intensiven Auseinandersetzung mit den komplexen örtlichen Begebenheiten und den Zielen des Auftraggebers und der besonderen Bauaufgabe.
Den Planern gelingt es schließlich, die verkehrstechnisch komplexe Situation zwischen Looge-platz und Kellinghusenstraße unter Berücksichtigung der verschiedenen Verkehrsströme ge-schickt zu lösen. Städtebaulich entsteht durch das parallel zum Bahndamm positionierte winkel-förmige Gebäude eine hochwertig gestaltete, dreiecksförmige Platzsituation, die sich bewusst Richtung Straße und Bushaltespur öffnet. Gleichzeitig wird der südwestlich gelegene Skatepark räumlich abgegrenzt.
Zur Unterbringung der geforderten 600 überdachten Fahrradstellplätze auf der begrenzten Grundstücksfläche erscheint eine 2-geschossige Bauweise unabdingbar. Um den attraktiven Ausblick von den höher gelegenen Bahnsteigen über das Gebäude hinweg erhalten zu können, wird der Baukörper in der Höhenlage geringfügig abgesenkt und mit einem flachen Gründach versehen. Zur Maximierung der Vorplatzfläche und zur Minimierung der Rampenlänge zur obe-ren Ebene schiebt sich der Baukörper zudem leicht in den Bahndamm hinein. Der entstehende Mehrwert rechtfertigt die Errichtung einer damit statisch erforderlichen Bohrpfahlwand zur Ab-fangung der bestehenden Hangsituation.
Der Baukörper selbst ist den funktionalen Abläufen entsprechend klar strukturiert. In den beiden Flügeln reihen sich die Fahrrad-Doppelstockparker auf zwei Ebenen an den mittig gelegenen Erschließungsgassen auf. Mit Ausnahme eines sicheren Bereiches für 150 Mietstellplätze auf der unteren Ebene sind die Nutzungsbereiche ansonsten öffentlich zugänglich. Die Eingänge für die Fahrradfahrer sind über Rampen und Schieberampen leicht auffindbar im südlichen Gebäu-deteil positioniert und liegen damit folgerichtig in unmittelbarer Verlängerung der Straßenque-rung Loogeplatz. Nach Abstellen des Fahrrades erreicht der Nutzer die Aufgänge zur U-Bahn-Haltestelle über die nördlich gelegenen Treppenanlagen auf kurzem Wege.
Die architektonische Ausgestaltung folgt der Idee des Entwurfsverfassers, zum Bahndamm und zum Skatepark einen abschirmenden Winkelrücken auszubilden und die Gebäudestruktur un-terhalb der Dachkonstruktion aus Sichtbeton zum Vorplatz hin zu öffnen. Die natürliche Belich-tung wird in den geschlossenen Außenwandbauteilen durch den Einsatz vertikaler, transluzenter Profilglaselemente sichergestellt.
Die geschwungene Vorplatzfassade ist hingegen von einem Wechsel aus gerahmten Klinkerflä-chen mit dunkel abgesetzten, offenen Streckgitterbändern geprägt. Abgerundete Ecken und sandsteinfarbene Verblender nehmen dabei sensibel Bezug auf die architektonische Formen-sprache der benachbarten denkmalgeschützten U-Bahn-Haltestelle. Die Innenräume sind hell, puristisch und angemessen zweckmäßig gestaltet. Für eine erhöhte Sicherheit sorgen neben einer gut durchdachten und angenehmen Beleuchtung weitere Sicherheitseinrichtungen wie Notrufsäulen und Videokameras.
Das 2021 fertiggestellte Fahrradparkhaus bildet als erstes Gebäude seiner Art in Hamburg einen wichtigen Baustein für die Umsetzung eines zukunftsweisenden Mobilitätskonzeptes. Den Betei-ligten ist es mit der vorliegenden Lösung für einen Verkehrsbau nicht nur gelungen, einen neuen, funktional und gestalterisch anspruchsvollen Bautypus zu entwickeln, sondern gleichermaßen vorbildlich aufzuzeigen, dass mit guter Architektur ein wertvoller Beitrag für den Umstieg auf das umweltfreundliche Verkehrsmittel Fahrrad geleistet werden kann. Nun sind die Bürger der anliegenden Stadtteile gefragt, dieses neu geschaffene Angebot auch anzunehmen.
Die Jury des AIV Hamburg zeichnet das Fahrradparkhaus Kellinghusenstraße als Bauwerk des Jahres 2021 aus.
Herzlichen Glückwunsch an den Bauherrn und an die beteiligten Architekten und Ingenieure.
Dominik Reh
im November 2022