Maurienbrücke über den Osterbekkanal
Bauherr
Freie und Hansestadt Hamburg, vertreten durch den Landesbetrieb Straßen, Brücken und Gewässer (LSBG), Geschäftsbereich Konstruktive Ingenieurbauwerke
Architekt
Blunck + Morgen Architekten, Hamburg
Tragwerksplanung
Bauwerksplanung
Architekturfotografie
Laudatio
Paddelt man auf dem Osterbekkanal an der Trude vorbei, dem Bohrschneidrad der 4. Elbtunnelröhre auf dem Platz vor dem Museum der Arbeit am Barmbeker Bahnhof, sieht man schon bald – kurz vor der Hochbahnbrücke – eine elegante Brücke über dem Kanal – die Maurienbrücke.
Rechts (im Süden) kräftig und hinter die Uferkante zurückspringend, links auf die historische Wand einfach zulaufend.
Doch warum dieser kühne Sprung vom einen Ufer zum anderen, warum die Asymmetrie?
Bevor diese Frage beantwortet wird, ordnen wir erst einmal die Brücke und ihre städtebauliche Funktion ein. Die Brücke vervollständigt den seit dem 2. Weltkrieg unterbrochenen Verlauf der Maurienstraße wieder. Daher liegt die Brücke auch in der Straßenachse und überbrückt den Osterbekkanal nicht rechtwinklig.
Benannt sind Straße und Brücke übrigens nach Johann Hinrich Wilhelm Maurien, einem Mitbegründer der Hamburg-New Yorker Gummiwaaren Compagnie. Diese saß unter anderem in den heute durch das Museum der Arbeit genutzten Gebäuden.
Der Autoverkehr nutzt längst die deutlich besser ausgebauten Verläufe der Bramfelder und Hufnerstraße. Auf der nördlichen Kanalseite bilden die U- und S-Bahn-Station, das Museum der Arbeit und der Wochenmarktplatz ein Zentrum, welches über die neue Brücke direkt an die südlich liegenden Stadtteilbereiche, in dem auch mehrere Berufsschulen liegen, angebunden werden. Auch das Kulturzentrum Zinnschmelze, ein Bauwerk des Jahres 2015, liegt entlang dieser
neuen alten Achse.
Die Lücke am südlichen Ufer in Straßenachse blieb auch nach der neuen Bebauung der Uferbereiche entlang der Straße Flachsland bestehen. Hier gab es eine Treppe an das Ufer, in den letzten Jahren war der Bereich wenig einladend. Mit der Errichtung der Brücke ist es gelungen, diesen Ort am Wasser nicht zuzubauen, sondern im Gegenteil wiederzubeleben – nicht zuletzt durch die hervorragende naturnahe Gestaltung durch Rabe Landschaften.
Nun wieder zurück zur Frage: Warum sieht die Brücke so aus wie sie aussieht. WTM Engineers mit Blunck + Morgen Architekten als gestalterische Beratung gewannen den Wettbewerb 2018 mit ihrem Entwurf. Die Idee war, den Eingriff in die nördliche Kaimauer möglichst gering zu halten. Eine aufwendige Auflagerung mit umfangreichen Tiefbaumaßnahmen wäre außerdem wegen der zahlreichen Leitungen im Uferbereich kompliziert geworden.
Daher also am Südufer eine größere Widerlagerkonstruktion, welche dann in einen nutzbaren Uferbereich eingebettet ist. Während ein Einfeldträger beide Uferseiten gleich belasten würde, wird durch die am Südufer ausgebildete Rahmenecke wortwörtlich der Schwerpunkt hierhergezogen.
Man könnte sagen, man kann das Nordauflager auch weglassen, es würde – mit einer gewissen Verformung – halten, wir probieren es lieber nicht aus.
Dieser Kniff erlaubt die nur dezent ausgebildete Widerlagerkonstruktion im Norden, erklärt aber auch die Asymmetrie des Trägers.
Dieser wurde als trapezförmiger Stahlhohlkastenquerschnitt ausgebildet, welcher permanent seine Form verändert. Der Fahrbahnbelag aus Gussasphalt unterstützt die Leichtbauausbildung. Die Gründung erfolgte auf beiden Seiten mittels einer Tiefgründung auf Pfählen, wobei die südliche Gründung aus den beschriebenen Gründen deutlich massiver ausfiel.
Bleibt noch eine Frage. Ja, die hat auch der Steuerzahlerbund gestellt: Warum baut man eine Brücke, wo sie mutmaßlich lange keiner vermisst hat, wo in geringem Abstand weitere Brücken die Überquerung des Kanals ermöglichen? Na, weil eine alte Verbindungsachse mit ganz neuen Aufgaben wiederbelebt wurde, weil wir Menschen direkte Wege ohne lärmenden Verkehr lieben und so städtebaulich neue Akzente gesetzt werden können. Das wird auch deutlich, weil die Brücke in das Förderprogramm integrierte Stadtteilentwicklung des Bundes aufgenommen wurde.
Ein paar Meter weiter westlich am Osterbekkanal oder auch zwischen Altem und Neuem Wall wurden trotz vorhandener Brücken in der Nähe neue Fußgängerbücken aus ähnlichen Beweggründen errichtet. Und wenn das wie hier durch eine so elegante, zurückhaltende Konstruktion, welche den umliegenden Bauten wie z. B. der denkmalgeschützten Hochbahnbrücke auch nicht die Show stiehlt, gelöst wird, können wir das nur begrüßen und gratulieren ganz herzliche zu diesem gelungenen
Bauwerk!
David Böning
Hamburg, im Oktober 2023