Øslandsby – Wohnanlage

Øslandsby – Wohnanlage -

Laudatio

Der heutige Stadtteil Osdorf wurde im 13.Jahrhundert erstmalig als Oslevestorp erwähnt, als es an das Kloster Harvestehude verkauft wurde. Es wurde nach seinem Begründer benannt. Die Endung -torp weist auf eine Anordnung von mehreren Höfen hin. 1870 baute Altona eine

Armenanstalt – das bis heute bestehende Altonaer Landpflegeheim. Heute beherbergt es Wohnungen und Ateliers einer Künstlergemeinschaft und liegt am Rande des idyllischen Hans-Christian-Andersen-Parks.

Im alten Ortskern von Osdorf erkennt man heute noch den ursprünglichen bäuerlichen Kern des Dorfes, auch wenn im vergangenen Jahrhundert einige Bauernhöfe Bränden zum Opfer fielen.

Mit seinen reetgedeckten Bauernhäusern, Prunkvillen im Hochkamp und der Großsiedlung Osdorfer Born ist Osdorf heute ein äußerst vielfältiger Stadtteil. Ländlicher Raum und Großstadt treffen direkt aufeinander, was bei einem Spaziergang durch die Osdorfer Feldmark deutlich wird. Auf grünen Wiesen grasen Pferde, während sich am Horizont die Plattenbausiedlung Osdorfer Born ins Blickfeld schiebt.

Bis in die 1930er-Jahre lag das kleine Bauerndorf Osdorf abseits der Stadt. Man bekommt einen Eindruck vom Charme Alt-Osdorfs, wenn man in der ruhigeren Langelohstraße am Kulturzentrum Heidbarghof und hübschen, fast verwunschenen Bauernkaten entlangläuft. In diesem Viertel finden sich kleinere Gewerbegebiete und bürgerliche Wohnstraßen mit Reihenhaussiedlungen und Mehrfamilienhäusern, in denen sich besonders Familien wohlfühlen.

Südlich der Osdorfer Landstraße entstand von 1965 bis 1967 die Siedlung des Altonaer Spar- und Bauvereins, zum Beispiel am Goosacker. Nördlich entstand zeitlich parallel unter anderem die Siedlung am Jochim-Sahling-Weg. Damit war eine große Bauverdichtung dieser Zeit in Osdorf abgeschlossen.

Die älteste Schule in Osdorf war die Schule Rugenbarg, die im Jahre 1981 geschlossen und trotz zahlreicher Proteste Osdorfer Bürger 2013 abgerissen wurde. Ihr erster Lehrer war Jochim Sahling.

Warum muss so viel über geschichtliches berichtet werden, wenn es doch hier um ein Bauwerk geht, um Innovation und Nachhaltigkeit?

Die gemeinsame Intention des Bauherrn urban space Immobilien und der LRW Architekten war, einen Ort für nachhaltiges Wohnen und Leben zu schaffen. Er soll die Bedürfnisse der Bewohner:innen erfüllen und gleichzeitig im Einklang mit der Umwelt stehen.

Hierbei sollen die einzigartige Lage inmitten des historischen Dorfkerns von Alt-Osdorf und die zahlreichen Grünflächen sowie die vielfältige städtische Umgebung konzeptionell berücksichtigt sein. Das Gebäude soll also die in der Umgebung vorhandene Mischung aus ländlichem Charme und moderner Stadtstruktur aufnehmen und widerspiegeln. Der Neubau soll zwischen Reetdach und Rotklinker bestehen, aber nicht als Störkörper empfunden werden. Er soll sich nahtlos in die vorhandene Bebauung einfügen.

Øslandsby also!

Die Endung -by kommt im dänisch geprägten Schleswig-Holstein häufig vor und bedeutet in der Regel „Hof“ oder „Gehöft“, aber auch „Ort“ oder „Dorf“.

Zugegebenermaßen musste ich bei diesem Namen sofort an Bullerbü denken. Die Bücher über die Kinder von Bullerbü basieren auf Astrid Lindgrens eigener Kindheit auf einem Hof in Schweden. Bullerbü selbst gibt es „in echt“ und da heißt es „Sevedstorp“.

Øslandsby gibt es seit 2023 auch „in echt“ und steht in „Oslevestorp“. Mal schauen, ob wir ein wenig Bullerbü entdecken…

Inmitten des historischen Dorfkerns von Alt-Osdorf ist also ein Vorzeige-Objekt für nachhaltige Konstruktion, effizienten Städtebau und modernes Wohnen entstanden.

Das schauen wir uns genauer an.

Der dreigeschossige Neubau ist ost-westlich ausgerichtet und öffnet sich mit großzügigen Freisitzen und Terrassen zum Garten im Süden.

Die städtebaulich kluge Anordnung auf dem Grundstück sorgt dafür, dass das Gebäude seinen Nachbarn nicht zu nahe rückt.

Die insgesamt 16 Wohneinheiten variieren in Flächengrößen von 56 bis 148 Quadratmeter. Hier ist Platz für jede Lebensgemeinschaft.

Die Außenanlagen werden durch unterschiedliche Nutzungsarten geprägt. Während den Erdgeschoss- und den Maisonette-Wohnungen jeweils Terrassen und Gartenbereiche zur privaten Nutzung zur Verfügung stehen, ermöglichen die Gemeinschaftsflächen vielfältige Nutzung für Spiel und Bewegung und grüne Ruheoasen mit Sitzmöglichkeiten.

Die Nähe zu Grünflächen und Naherholungsgebieten und die gute Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel schaffen eine lebenswerte Umgebung

Ein wenig Bullerbü liegt also auch in Osdorf.

Insbesondere die Fassade wurde mit einem hohen ökologischen Anspruch geplant.

Die äußere Schale der Fassade besteht zu 50% aus recycelten Klinkersteinen und wurden speziell für das Projekt angefertigt.

Um die Rückbaubarkeit und Wiederverwendbarkeit der Fassade zu gewährleisten, wurde in der Planung nahezu vollständig auf Kleber und Schrauben verzichtet. Die Dämmung wurde hinter das Lattungssystem gesteckt und die Schindeln wurden mit Klemmen fixiert.

Um Materialverluste und Verschnitt zu minimieren, optimierte LRW die Fassadenkonstruktion zusammen mit dem dänischen Hersteller Komproment. Im Ergebnis konnte die Höhe jeder Schindelreihe flexibel angepasst werden und ihre Befestigung zwischen 19 cm und 21 cm

variieren. Dieser Trick ermöglichte bis zu 39 cm Toleranz pro Geschoss auszugleichen, was eine maximale Flexibilität in der Gestaltung zuließ: Unterschiedliche Geschosshöhen, Bodenaufbauten und Fenster konnten so in der Fassade nivelliert und nahezu ohne Verschnitt verkleidet werden.

Aus Nachhaltigkeitsaspekten wurden außerdem die großzügigen Freisitze als rückbaubare, vorgestellte Balkone konzipiert.

Hochwertige und langlebige Materialien im Innenausbau und die maßgebliche Energiegewinnung über eine Luft-Wärmepumpe runden das Nachhaltigkeitskonzept ab.

Die Summe aller innovativen Ansätze in der Planung und Ausführung, die besondere Berücksichtigung ökologischer Materialen und Bauarten und die ästhetische Bereicherung durch die Planung und die Ausführung des Neubaus Øslandsby – Jochim-Sahling-Weg werden nun ausgezeichnet. Herzlichen Glückwunsch zum Bauwerk des Jahres!

Wolfgang Keen

Hamburg, im Oktober 2024

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