Hotel The Fontenay
Bauherr
Kühne Immobilia GmbH, Hamburg
Architekt
Störmer, Murphy and Partners GbR, Hamburg
Tragwerksplanung
Ingenieurbüro Dr. Binnewies, Hamburg
Architekturfotografie
Laudatio
Für uns Gäste ist es einfach: Mit unserem Köfferchen müssen wir uns nur dem Empfang nähern, um hier in der Fremde anzukommen, um einzutauchen in eine lippenlesende Umgebung voll wohliger Diskretion, in eine perfekte Mischung aus Anonymität und unaufdringlicher Aufmerksamkeit, die einen in wenigen Sekunden zum Stammgast werden lässt, auch wenn der Abschied vom Alltag nur eine Nacht dauern sollte. Ich befinde mich im Grandhotel „The Fontenay" am westlichen Ufer der Alster.
Hier ist es wie auf dem Theater: Den König spielen immer die anderen. „Zu welcher Zeit möchten Sie zu Abend essen? Wann darf ich Sie für das Wellness-Programm eintragen?" Hier werden wir häufig bereits umgarnt und umarmt, lange bevor wir eingecheckt sind. Die tragende Rolle ist de Facto dem lautlose beflissenen Hotelpersonal zugedacht, das dem profanen Gast vorrübergehend das Zepter zuerkennt. Angeblich ist die Servicequalität der eigentliche Schlüsselfaktor, um im Gastgewerbe international in der obersten Liga mitspielen zu können.
Doch bleiben wir selbstbewusst: Keine Krone ohne Palast! Eine mindestens ebenso tragende Rolle spielt bei Hotels der Ort und die Hardware, das Zusammenspiel von Lage und Architektur, die Proportion von Innen und Außen, die die Umgebung wirken lässt und zugleich abschirmt, auch im fahlen Tageslicht, wenn die Bühnenbeleuchtung längst ausgeschaltet ist und im Saal die Lichter angehen.
Lassen Sie uns zuerst etwas an der Alster spazieren, bevor wir eintreten: Nachdem vor 5-Jahren an dieser Stelle das Hotel „Intercontinental" abgetragen wurde, hat entlang der Uferkante der öffentliche Alsterpark wieder die räumliche Oberhand gewonnen, ja mehr noch: An der Einmündung der Fontenay- Straße scheint es, als hätte die Landschaft trotz der Neubebauung sich weiteres Vorland zurückerobert. Dies ist sicherlich die großzügigste Geste des neuen „The Fontenay": Anstatt sich hinter Zäunen und abgesteckten Zufahrten abzugrenzen, wurde das Grundstück mit dem Alstervorland zu einem Park verwoben und zeigt sich in diesem Areal als freistehendes, zu allen Seiten offenes Haus.
Aus diesem Konzept der Verschränkung schöpft auch der skulpturale, aus verschliffenen Kreisen gebildete Baukörper seine Kraft. Ein- und ausschwingenden Uferkanten der Alster werden in der Höhe durch die konkav- und konvex verlaufenden Deckenbändern der Geschosse fortgesetzt. Sie verstärken den räumlichen Fluss und teilen sich den Außenraum paritätisch mit großgewachsenen Bäumen. Dazu das strahlenden Weiß der opaken Fassade, das sich verständig zeigt zur bestehenden Nachbar-Bebauung und urbane Weitläufigkeit erzeugt. Die einheitlich Farbgebung folgt damit natürlich auch den Vorgaben der Alsterverordnung...
Auch innerhalb des Gebäudes handelt sich nicht um Untermalung: Die kreisende Raumbildung lässt ein gedecktes Atrium und einen offenen Innenhof entstehen. Entlang dieser gebäudehohen Voids werden die Gäste zu Ihren Zimmern und Suiten geführt und dabei mit viel Licht, Ausblicken und Orientierung verwöhnt. Der in innenliegenden Fluren sonst schnell einsetzend Fluchtreflex, der zum voreiligen Studium der ausgehängten Fluchtwegpläne verleitet, ist hier wie weggeblasen.
In den Gästezimmern wird noch weniger an Tageslicht und Ausblicken gespart. Und natürlich gibt es hier all die exklusiven Ausstattungen, die das Leben leichter machen. Behagliche Badezimmer, Ankleideräume, offene Küchen und großzügige Wohn- und Schlafzimmer, die alle über eine eigene Loggia, über einen eigenen „direkten Parkzugang" verfügen. Wer eines dieser 130 Kreissegmente als Gast bewohnt, darf sich immer auch als Teil des Ganzen fühlen. Das Bauwerk will sich jedoch nirgend aufdrängen, die Sinne überfallen und stören. Farben, Materialien und Proportionen sind bestenfalls auf Anregung oder Verführung ausgelegt. Es sind wohldosierte Abstufungen aus Licht und Schatten, es ist ein besonderes Sfumato, das dieses Haus durchzieht.
Hier geht es vielleicht noch nicht um Raketentechnik. Hier handelt sich vor allem um eine feine abgestimmte Komposition, die es schafft, eines unsichtbar zu machen: Eine anspruchsvolle, komplexe Gebäudetechnik, die in die Architektur überall formschlüssig und hoch professionell integriert wurde. Doch bevor ich meinen Körper im Spa-Bereich etwas aufpoliere und ein paar Schwimmzüge in den Wolken mache, lassen Sie an der Bar auf der Dachterrasse auf den Abend einstimmen. Mit Blick auf die Hamburger Skyline kann jeder zumindest in Gedanken auch die gegenüberliegend Uferkante abgehen.
Wer am Wasser baut, darf nicht am Wasser gebaut sein. Hier sind die Begehrlichkeiten gegenüber dem Baugrund meistens groß. Zudem müssen Bauherr und Planer ein amphibisches Verständnis besitzen, da bei diesen Projekten das Wasser immer von allen Seiten kommt – geplant oder ungeplant. Wenn jedoch der Poolbereich in die oberste Ebene gehievt wird, wenn dem Badenden vom Wasser aus ein grandioser Blick über die Stadt am Wasser offeriert wird, dann müssen wir eindeutig von Ehrgeiz sprechen, der sich ästhetisch gelohnt hat, dem dieses geschwungene Gebäude überall jetzt soviel heitere Schwingung verdankt.
Sicherlich können wir einem Investor kühne oder werbende Absichten unterstellen, wenn gleich zu Beginn ein Projekt mit höchsten Qualitätsansprüchen ankündigt wird. Heute müssen wir dem Bauherrn daher in jedem Fall Nehmerqualitäten und echtes Hanseatentum zusprechen, wenn diese Ansprüche trotz Widrigkeiten - und ohne staatlichen Rettungsschirm - vollständig eingelöst wurden.
Ein 5-Sterne Hotel wie dieses ist ein Ausleseprodukt. Es muss nicht nur zeigen wie geräuschlos und elegant das Wohnen sein kann, sondern vor Bezug schon wissen, wie wir gewohnt haben wollen. Von den Planungsbeteiligten sind seismographische Fähigkeiten und feinsinnige Detailplanung gefordert. Diese Aufgabenstellung zu einer komplexen, anziehenden Wohnlandschaft mit dieser besonderen Lagegunst ist ein Balanceakt mit Fallhöhe. Die Architekten Störmer Murphy und Partner haben - zusammen mit den Innenarchitekten von Matteo Thun und unterstützt vom Büro Aukett + Heese - jedoch gezeigt, dass sie das Hochseil schon längst virtuos beherrschen. Für genügend Vorspannung innerhalb des Tragwerks und eines ambitionierten Zeitplans hat das Ingenieurbüro Dr. Binnenwies gezeichnet.
Uns ist nicht bekannt, ob sich Udo Lindenberg bereits diesseits der Alster umgeschaut hat. Doch für die Jury des AIV ist es eindeutig: Hamburg hat ein neues, internationales Spitzenhotel bekommen, bei dem wir es dem berühmten Hotel-Dauer-Gast sofort gleichtun würden, vorausgesetzt es ist: „The Fontenay". Wir möchten seinen Erbauern sehr herzlich danken und freuen uns, die Auszeichnung „Bauwerk des Jahres 2018" zu übergeben an den Bauherrn, Kühne Immobilia GmbH, die Architekten, Störmer Murphy und Partner und die Tragwerksplaner, Ingenieurbüro Dr. Binnenwies.
Dipl.-Ing. Architekt Peter Olbert
Hamburg, im Oktober 2019